Musik wirkt nach außen und berührt das Innerste. Sie macht uns lächelnd, rührt uns zu Tränen und kann uns zu Power verhelfen. Sogar als therapeutische Kraft wird sie von Psychologen und Medizinern eingesetzt.
Musik prägt uns deshalb von Geburt an und erschafft dabei Bilder. Nicht immer sind sie schön oder richtig. Vor allem, wenn als Musikthema Menschen mit Behinderung gewählt wird. Viele Stars haben sich kreativ in diese Richtung eingebracht und mit schönen Liedern die Welt begeistert. Einige sind sehr gelungen. Unbewusst wurden in manchen Liedertexten aber auch gesellschaftliche Einstellungen mit klischeehaften Bildern aufgezeigt. Unbeabsichtigt wurden damit auch Vorurteile genährt, obwohl eigentlich genau das Gegenteil beabsichtigt war.
proroba stellt Euch jede Woche einen Song vor, der sich mit dem Thema Menschen mit Behinderung auseinandersetzt.
Wie wirken die Texte auf Euch, wenn man sie gezielt auf Klischees betrachtet? Wir sind sehr gespannt auf Eure Blickwinkel, Analysen und Meinungen.
Sehr gerne nehmen wir Anregungen zu Musiktiteln, die Euch gefallen oder missfallen auf.
Heute haben wir für euch: Gerhard Schöne, Wellensittich und Spatzen
Gerhard Schöne, Wellensittich und Spatzen, auf Youtube
Gerhard Schöne – Wellensittich und Spatzen
Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog,
hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein,
denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie
und das passt in Spatzenhirne nicht hinein.
Auf dem Weihnachtsmarkt läuft einer, nach dem sich die Leute umdrehn.
Etwas Grünes hat er sich ins Haar geschmiert.
Er trägt eine Glitzerhose und am linken Ohr Geschmeide,
etwas Wangenrouge, der Hals ist tätowiert.
Träge Menschen werden munter. Stille Bürger sind entrüstet.
Dreckparolen wirft man, wo er geht und steht.
Jemand sagt: „Das ist der Abschaum! Sowas müsste man erschießen!
Wenn das mein Sohn wär’, ich wüsste, was ich tät.“
Jemand sagt: „Der ist entlaufen!“ Jemand sagt: „Hau ab. Zieh Leine!“
Irgendwo ruft einer halblaut: „Schwules Schwein.“
Jemand spuckt ihm vor die Füße. Jemand wirft nach ihm ein Brötchen.
Ein Besoffner packt ihn und schlägt auf ihn ein.
Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog,
hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein,
denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie
und das passt in Spatzenhirne nicht hinein.
Fünf Soldaten auf der Bude. Vier sind sofort dicke Freunde,
nur der Fünfte ist ’ne Pfeife, das steht fest!
Alle warn schon blau, nur er nicht, hat von Fußball keine Ahnung,
abends liegt er mit nem Buch in seinem Nest.
Täglich schreibt die Pfeife Briefe und kriegt Post aus andern Ländern.
Alle prahln mit ihren Weibern, nur er schweigt.
Er versaut die ganze Stimmung, wenn sie Witze sich erzählen,
es wird Zeit, dass man ihm mal die Meinung geigt!
Sonntagnacht, die Pfeife schläft schon. Unsre Vier sind stockbesoffen.
In der Dunkelheit zerrn sie ihn aus dem Bett.
Eine Flasche braunen Fusel flößen sie ihm ein und lachen.
Und sein Buch wird eingeschmiert mit Stiefelfett.
Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog,
hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein,
denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie
und das passt in Spatzenhirne nicht hinein.
Im Lokal ist Kinderfasching. An der Tür gibt es Getuschel.
Eine Mutter bringt ihr Sternentalerkind.
Das ist geistig schwer behindert, kann nicht sprechen, nur so brummeln,
doch es strahlt, weil hier so viele Kinder sind.
Und die Mutter setzt sich mit ihm an die lange Kaffeetafel,
ihr kleiner Sternentaler klatscht zu der Musik.
Keiner schenkt ihnen Kakao ein, niemand setzt sich in die Nähe,
ab und zu nur trifft sie ein verstohlener Blick.
Als die Kinder tanzen, schwingt sie auch ihr Kind herum im Kreise.
Manche tanzen weiter, andre bleiben stehn.
Jemand sagt: Das ist geschmacklos, man wir sind doch keine Anstalt.
Unsere Kinder sollen so etwas nicht sehn.
Als mein gelber Wellensittich aus dem Fenster flog,
hackte eine Schar von Spatzen auf ihn ein,
denn er sang wohl etwas anders und war nicht so grau wie sie
und das passt in Spatzenhirne nicht hinein.
Foto: Pixabay