(Bild: Frau Daniel neben dem Weihnachtsbaum)
Weihnachten – das Fest der Liebe. Jeder von uns hat Bilder dazu im Kopf, die seit frühster Kindheit geprägt wurden. Dabei entstanden regelrecht Rituale, ohne die sich die meisten kein „richtiges“ Weihnachtsfest vorstellen können. Für manche ist Kartoffelsalat mit Würstchen unverzichtbarer Bestandteil des Weihnachtsfestes, für andere sind es ganz bestimmte Abläufe bei der Bescherung. Für mich war Weihnachten immer auch ein Fest der Familie gewesen. Ohne im Kreis meiner Lieben zu sein, konnte Weihnachten einfach kein Weihnachten sein.
Dann kam das Jahr, in dem ich Weihnachten Bereitschaftsdienst hatte. Ich hatte mich darauf eingestellt, hin und wieder telefonisch Auskünfte zu erteilen und Ratschläge zu geben, damit ein Klient in Not ein gesegnetes Weihnachtsfest erleben konnte.
Bereits am Morgen erhielt ich einen Anruf, dass bei einer Klientin die Assistenzkraft wegen einer Erkrankung ausfiel. Ich ergriff sofort die Initiative und bemühte mich darum, einen Ersatz zu finden. Doch alles Telefonieren und Anschreiben half nichts. Es gab einfach keine Vertretung für Heiligabend.
Also erklärte ich mich bereit, diese Vertretung zu übernehmen. Es gab keine Verpflichtung für mich dazu. Ich wollte es auch nicht wirklich. Ich entschied mich einfach dazu.
Am frühen Abend fuhr ich mit meinem Wagen los. Weiße Weihnachten hatte ich mir gewünscht — doch für den Weg, der vor mir lag, war er mehr als ungünstig. Ich kannte die Klientin, aber nur über die Arbeit. Dementsprechend unwohl fühlte sich ein Teil von mir. Mein erstes Weihnachten ohne die geliebte Familie im Kreis von „Fremden“.
Nachdem ich meinen Wagen im Tiefschnee abgestellt hatte und nach einem tiefen Atemzug klingelte, änderte sich meine gesamte Gefühlslage schlagartig, als ich die Wohnung betrat. Neben der Klientin war noch die Mutter anwesend. Die Begrüßung der beiden war so warmherzig, dass ich mich sofort wohlfühlte.
Das Essen war vorzüglich, die gemeinsamen Spiele machten riesig viel Spaß und die Gespräche waren voller Wärme.
Lächelnd schlief ich nach Mitternacht ein. Und mit einem Lächeln fuhr ich am nächsten Vormittag, nachdem eine Assistenzkraft ihren Dienst angetreten hatte, zurück in den Kreis meiner Familie.
Und als mich meine Lieben umringten und fragten, wie der Heiligabend für mich gewesen war, konnte ich lächelnd antworten: Macht euch keine Sorgen, er war wirklich richtig schön!
Foto: V. Oliveira