„Ich bin wirklich glücklich, dass ich in Deutschland lebe. Hier gibt es viel Unterstützung für Familien mit Kindern, die eine Behinderung haben. Aber es wird leider noch nicht genug getan. Erkennbar wird das auch daran, wie schwierig es ist, ein Persönliches Budget durchzusetzen. Und das, obwohl es in unserem Fall einfach perfekt ist und sich damit ganz neue Möglichkeiten der Lebensgestaltung ergeben.“
Sabine Kolander lädt mit ihrer ruhigen Stimme förmlich zu einem gemeinsamen ´Spaziergang‘ durch ihr Leben ein. Das Schöne, das Traurige, das Schmerzhafte, das Kämpferische, einfach alles, was sie zu berichten hat, bewegt sich um den roten Faden ihres Lebens — die Liebe zu Tochter Julia. Jede Sekunde ihres Lebens in den vergangenen 20 Jahren ist eng mit ihr verwoben.
„Es war zu Anfang nur ein diffuses Gefühl, dass irgendetwas nicht stimmte. Doch da in den ersten drei Lebensmonaten von Julia alles normal verlief, schob ich dieses Gefühl immer beiseite. Dann traten die ersten epileptischen Krämpfe auf. Nicht nur immer stärker werdend, sondern auch ihre Häufigkeit nahm schnell zu. Starke Medikamente kamen zum Einsatz, die als Nebenwirkung immer dafür sorgten, dass Julia die Tage in ohnmachtsähnlichem Schlaf verbrachte. Es dauerte noch eine ganze Weile, bis klar war, dass Julia an einem atypischen Rett-Syndrom litt. Dabei handelt es sich um eine tiefgreifende Entwicklungsstörung, die durch eine Mutation am X‑Chromosom hervorgerufen wird. Jedes 10.000 Kind in Deutschland ist davon betroffen. Die Kinder entwickeln sich anfangs scheinbar normal. Dann, nach einem Entwicklungsstillstand, verlernen sie wieder vieles, besonders das Sprechen und den Gebrauch der Hand. Es folgen Störungen der Bewegungskoordination, Symptome des Autismus und manche haben auch eine geistige Behinderung.
Ich folgte jedem ärztlichen Ratschlag, wandte jede Therapieform an, die mir Fachleute empfahlen, um alles nur mögliche für Julia zu tun. In den ersten zwei Jahren hatte ich mitunter das Gefühl, ich würde Julia zu Tode therapieren. Immer nur dienstags bekam ich für ein paar Stunden Hilfe. Es gab gute Tage und auch Tage, wo ich nicht mehr wusste, wie es weiter gehen kann. Ich bin im christlichen Glauben erzogen worden und mein Glaube wurde durch das Leben mit Julia noch stärker. Ich bin überzeugt, dass Gott nur den Menschen ein behindertes Kind schenkt, die am Ende auch die Kraft dafür haben, es großzuziehen.
Die Kraft, die benötigt wird, berührt allerdings Grenzbereiche. Deshalb hatte ich auch immer im Hinterkopf die Frage: Was passiert, wenn ich umfalle?
Der Wunsch, dass Julia bestens versorgt und möglichst eigenständig ist, löste in mir den Wunsch nach einer Delphin-Therapie für meine Tochter aus. Das war die richtige Möglichkeit, um Julia aus ihrem autistischen Dasein und dem Dauerschlaf durch die Medikamente heraus ins Leben zu holen. Finanziell war das allerdings unmöglich für mich und meinen damaligen Ehemann. Deshalb entschied ich, dass ich das mit Kuchenbacken finanzieren werde. Mein Mann glaubte nicht daran. Ich schon! Ich setzte mich mit Zeitungen in Verbindung, die über meine Aktion und Julia berichteten. Jedes Wochenende backte ich und verkaufte den Kuchen im Garten mit der Hilfe von Freundinnen. Immer mehr Leute kamen und kauften. Manche bestellten sogar ihre Lieblingskuchen. Immer größere Kreise zog meine Aktion. Sogar ein Mundartverein aus der Region sammelte für uns 1263 Euro. Nach zwei Jahren und sechs Monaten hatten wir das Geld zusammen und flogen mit Julia nach Miami zur Delphin-Therapie. Es war eine unglaubliche Erfahrung, die ich später an gleicher Stelle, nachdem ich mich von meinem Mann getrennt hatte, mit einer deutschen Schwimmtherapeutin wiederholte. Wie nachhaltig diese Therapie war, zeigt auch, dass Julia noch heute die Lieder, die dabei gespielt wurden, über alles mag. Jede Therapie sorgte auf ihre Weise für Erfolge. Heute kann Julia an der Hand gehen und krabbeln. Viele hätten das damals für unmöglich gehalten.
Die Dauererschöpfung der ersten Jahre und diese fantastische Erfolge, die durch die Großherzigkeit vieler Mitmenschen zustande gekommen waren, sorgten dafür, dass ich das Wort Muss aus meinem Sprachschatz strich. Ich muss dieses oder jenes machen, hatte ich früher immer gesagt. Jetzt sage ich nur noch: Ich werde dieses oder jenes machen.
Damit Julia am normalen Leben teilhaben konnte, besuchte sie einen integrativen Kindergarten und auch eine Schule mit Assistenz. Ich selbst bin Kindergärtnerin und das mit Leib und Seele. Da Julia stark schwankende Tagesformen besaß, musste ich sie auch immer Mal wieder mit in meinen Kindergarten nehmen. Es war schön mitzuerleben, wie die Kinder Julia dort annahmen. Wie sie in ihrer Natürlichkeit und ohne Berührungsängste halfen oder Julia Dinge reichten.
Weitere Meilensteine waren für mich die Kontakte zu Bethel, einer Stiftung, die sich für Menschen einsetzt, die auf Hilfe, Unterstützung oder Assistenz angewiesen sind, und der Kontakt zur Eltern-Rett-Hilfe. Besonders dieser Verein wurde für mich zu einer erweiterten Familie. Hier wurde mir zum ersten Mal das Gefühl gegeben, dass ich während der Schwangerschaft und auch danach nichts mit Julia falsch gemacht hatte. Die Jahre mit Schuldgefühlen waren vorbei, weil ich keine Schuldgefühle zu haben brauchte. Julias Schicksal lag an einem Gendefekt.
Um Julia von den starken Medikamenten gegen die epileptischen Anfälle zu befreien, bekam sie einen Vagusnerv-Stimulator eingesetzt. Der Vagusnerv ist der Zehnte von zwölf Hirnnerven. Das Stimulationsgerät wird ähnlich wie ein Herzschrittmacher implantiert. Ein Generator sendet regelmäßige Impulse an das Gehirn. Krämpfe können so verhindert oder zumindest deutlich gemildert werden.
2003 lernte ich schließlich Uwe, meinen jetzigen Lebensgefährten, während einer Kur kennen. Er brachte die Söhne Lucas und Vincent, die beide eine Stoffwechsel-Erkrankung haben, mit in unser gemeinsames Leben. Mein Sohn Frank, 26, ist jetzt schon selbst Vater einer süßen Tochter namens Marie-Sophie. Auch sie geht mit ihren 1,5 Jahren so wundervoll natürlich mit Julia um. Es ist einfach wunderschön, dass das Gefühl Oma zu sein, ein Teil meines Lebens geworden ist. Dass ich dieses Gefühl zwischendurch genießen kann, habe ich dem Persönlichen Budget zu verdanken. Genau wie Spaziergänge mit meinem Lebensgefährten. Für Außenstehende mag es unglaublich klingen, aber 2017 sind wir das erste Mal seit 14 Jahren alleine ein paar Stunden wandern gegangen. Vor der Zeit des Persönlichen Budgets wäre so etwas undenkbar gewesen. 14 Jahre lang waren wir nur auf Wegen und Straßen unterwegs gewesen, die auch für Julias Rollstuhl geeignet waren. Wer einmal einen Tag mit einem Rollstuhl unterwegs war, der weiß, wie wenig barrierefrei Deutschland ist. Ich kann es nicht in Worte fassen, wie mein Lebensgefährte und ich uns gefühlt haben, als wir über Stock und Stein marschierten und dabei die Erfahrung machten, dass man sich die Sorgen für ein paar Stunden auch wegwandern kann.
Zu den Sorgen gehört aber nicht nur das Sorgen um Julia, sondern vor allem die vielen Auseinandersetzungen mit Ämtern, Trägern und Krankenkassen. Zwei ganze Jahre dauerte es zum Beispiel, bis das Persönliche Budget endlich genehmigt war. Aber es hat sich gelohnt. Es ist das größte Wunder für Julias Leben. Das größte Geschenk, das ihr gemacht werden konnte. Sie hat über das Persönliche Budget Freizeit-Assistentinnen. Sie sind so etwas wie Freundinnen für Julia. Sie sind damit etwas, was ich für Julia nie sein konnte. Ich musste für Julia immer stark sein, immer für sie kämpfen. Von den Ämtern und anderen Sachbearbeitern wird man überwiegend im Stich gelassen. Selbst wenn diese sehen, dass man psychisch fast am Ende ist. Niemand kommt einem entgegen und hilft einfach. Man bleibt immer in der Position des Bittstellers, obwohl Ämter doch dazu da sind, um zu helfen.
Es ist für uns alle einfach ein neues Leben. Plötzlich sagt da jemand: ‘Ich fahre mit Julia in den Zoo.´ Und auf einmal ist Zeit zum Wandern da, ist Zeit da, meine Enkeltochter zu sehen. Natürlich helfen die Assistentinnen Julia auch mal beim Duschen oder reichen ihr das Essen, aber es ist für mich als Mutter einfach herrlich zu erleben, wenn sie mit Julia Ausflüge wie mit einer Freundin unternehmen. Ich hätte nicht gedacht, dass ich das einmal hätte erleben dürfen.
Wir haben viele Kämpfe für Julia ausgefochten. Sehr viele! Auch wegen eines Anbaus. Irgendwann war Julia einfach zu groß und schwer geworden. Ich schaffte es einfach nicht mehr, sie ständig die Treppen hoch und runter zu tragen. Neun Monate dauerte es, bis wir endlich einen Kredit für einen kleinen Anbau bekamen, damit Julia im Erdgeschoss leben kann. Neun Monate, obwohl wir 80 Prozent Eigenkapital dafür besaßen.
Doch ich habe in meinem Leben gelernt, dass Wege dazu da sind, gegangen zu werden. Und ist ein Weg nicht begehbar, dann wird einfach ein anderer beschritten. Schön ist es dann, wenn man auf diesen Wegen Unterstützung findet. Von Menschen, die Kuchen für einen guten Zweck kaufen, von Menschen, die zu Spenden aufrufen und von Menschen, die einem bei der Durchsetzung des eigenen Persönlichen Budgets helfen. Dafür und für vieles mehr empfinde ich tiefe Dankbarkeit.“
Hallo mein Name ist Mona Sacha und ich habe einen Behinderten Sohn . Unser Problem ist , das ich für ihn keinen Platz bekomme . Weder in einer Behinderten Werkstatt noch in einer Tagesstätte . Ich kann nicht Arbeiten gehen da er beaufsichtigt werden muss . Deswegen verlieren wir bald unser Zuhause und vieles mehr . Ich kann es nicht verstehen und bitte sie um raht . Vielleicht können Sie mir weiterhelfen . Sonnst muss ich meinen Sohn entweder alleine zu Hause lassen oder immer mit zu meiner Arbeit nehmen , sofern ich eine mit ihm bekomme .
Sehr geehrte Frau Sacha,
vielen Dank für Ihre Nachfrage. Gerne helfen wir Ihnen und Ihrem Sohn. Besuchen Sie unsere Seite: http://www.proroba.de und hinterlassen Sie eine Nachricht oder rufen Sie uns unter der Nummer (0211) 93 881–0 an. Wir freuen uns auf Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Das proroba Team