Nach langjähriger kaufmännischer Tätigkeit in verschiedenen Bereichen hatte ich das Gefühl, nicht mehr glücklich zu sein. Meine Arbeitstage erfüllten mich einfach nicht mehr. Ich wollte etwas mit Menschen machen, mich erfüllt fühlen, wissen, was ich am Tage erreicht hatte.
Nach langem hin und her Überlegen, mit vielem Für und Wider, habe ich mich entschlossen, ein duales Studium in der Sozialen Arbeit zu beginnen. Theorie ist das eine, aber ich wollte auch die Praxis schnellstmöglich erlernen, um mich persönlich weiter zu entwickeln.
So fand ich die Firma proroba, die mich in meinem dualen Studiengang begleitet — am 01.10.17 ging es los, endlich war ich Studentin im ersten Semester. Einfach alles ist aufregend — endlich bin ich meinem Traum ein Stück näher gerückt!
Nach mehreren Praxiswochen kam ich ins Büro und wurde von meiner Kollegin gefragt, ob ich mir zutrauen würde, bei einem Klienten eine „Bestandsaufnahme“ zu machen, da sie sehr wenig Zeit habe und ich sie damit sehr unterstützen könne. In meinem „jugendlichen“ Leichtsinn antwortete ich abrupt: „ Na klar — erkläre mir bitte nur genau, was du als Information brauchst“ — und da ich mich der Aufgabe gewachsen fühlte, bin ich los….
Als ich im Auto saß kamen die ersten Zweifel… Ach du grüne Neune Marina, was hast du getan… Du bist Studentin im ersten Semester und du hast noch keinerlei Berührungen mit Menschen gehabt, die eine Behinderung haben! Ok — es gab jetzt kein Zurück mehr, schließlich hatte ich zugesagt, den Termin persönlich vereinbart und wollte ja an meinen Erfahrungen wachsen.
An der Adresse angekommen, mulmig im Bauch, klingelte ich an der Haustüre. Die Mutter des Klienten machte mir sehr freundlich die Türe auf, bat mich herein und stellte mir ihren Sohn vor, der im Bett lag. Oh mein Gott was sage ich bloß? „Hey, wie geht’s?“ Na, wie soll es einem schon gehen, der in solch einer Lage ist!? Mir wurde ganz warm. Nach kurzem Gedankenchaos wurde meine Professionalität gefragt — eine Linie zwischen Nähe und Distanz zu schaffen. Ich stellte mich ihrem Sohn mit meinem Namen vor und in dem gleichen Moment bat mich die Mutter des Klienten in den Wintergarten und bot mir ein kaltes Getränk an — das Eis war gebrochen und somit auch alle Zweifel. Wir waren uns sofort sympathisch und das Gespräch lief wie von selbst. Nach ca. 1,5 Stunden hatte ich alle Informationen, die ich für meine Kollegin brauchte und konnte in den Feierabend gehen. Als ich im Auto saß, war mein erster Gedanke: Geschafft — das hast du doch gut hinbekommen – ich war stolz auf mich.
Als ich am nächsten Tag meinen Bericht schriftlich an meine Kollegin weitergegeben habe, war diese sehr erfreut über die detaillierten Angaben und ich hatte das Gefühl, die Aufgabe richtig gut gemeistert zu haben. Schon wieder kam ein gutes Gefühl in mir hoch, jetzt auf dem richtigen Weg zu sein. So verrückt es sich anhört, aber es hat mir sehr viel Spaß gemacht. Genau das ist, weswegen ich mich entschieden habe, einen zweiten Bildungsweg einzuschlagen, mit allen Vor- und Nachteilen – um endlich mit Menschen zusammen arbeiten zu können, egal ob sie eine Behinderung haben oder nicht.
Text: Marina Heger