Leider gehört es zum Lauf der Welt: Ein Mensch wird durch einen fremdverschuldeten Unfall oder einen Behandlungsfehler an Körper und Gesundheit geschädigt. Das Leben ist mitunter nicht mehr wie zuvor. Der Betroffene kann dann Schadenersatzansprüche gegen den Unfallverursacher oder den Behandler geltend machen. Im Vordergrund steht dabei der Haftpflichtversicherer des Verursachers. Erfahrungsgemäß kann es allerdings zu Verzögerungen kommen, weil der gegnerische Versicherer die Haftung nicht anerkennt und deshalb sogar ein Klageverfahren erforderlich ist. Aus den unterschiedlichen Gründen müssen die geschädigten Menschen in diesem Moment auf die Leistungen der Sozialhilfe zurückgreifen. Bei Erwachsenen geht es in der Regel dabei um die Sicherung des Lebensunterhaltes. Bei Kindern hingegen oft um die Leistung von Fördermöglichkeiten.
Ist der Streit schließlich beigelegt, kommt es endlich zur Zahlung von Schadenersatz und / oder Schmerzensgeld. Ist das Geld dann auf dem Konto, entsteht spätestens dann die Frage: Hat das Sozialamt einen Anspruch darauf, auf das Schmerzensgeld und den Schadenersatz zurückzugreifen?
Wie bei fast allen Fragen in Bezug auf Gesetze, so ist auch die Antwort darauf etwas länger.
Sozialhilfe ist nachrangig. Sie erbringt nur dann Leistungen, wenn der Geschädigte bedürftig ist. Wenn er also nicht über eigene Einkünfte und ein eigenes Vermögen verfügt. Gemäß § 90 Abs. 1 SGB XII ist das gesamte verwertbare Vermögen zur Deckung des Lebensunterhalts vorrangig vor der Inanspruchnahme von Sozialhilfe einzusetzen. Dieser Logik folgend, wäre ein Geschädigter nicht mehr bedürftig, wenn er eine Zahlung von einem Haftpflichtversicherer erhält. So einfach ist es aber glücklicherweise nicht.
Der Gesetzgeber unterscheidet zwischen immateriellen Schaden, dem sogenannten Schmerzensgeld, und dem materiellen Schaden, zu dem zum Beispiel Verdienstausfall, Haushaltsführungsschaden, Pflegemehrbedarfsschaden usw. zählen.
Das Schmerzensgeld darf nicht auf die Sozialhilfe angerechnet werden. Der Grund liegt darin, dass das Schmerzensgeld von seinem Wesen nach als Ausgleich für immaterielle Schäden gewährt wird. Es dient also nicht dem Lebensunterhalt. Das Schmerzensgeld und sogar etwaige Erträge daraus müssen nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig anrechnungsfrei bleiben.
Der materielle Schadenersatz genießt einen solchen weitreichenden grundlegenden Schutz nicht. Hier muss man differenzieren, ob der Einsatz dieses Teils des Vermögens gerechtfertigt ist und zu welchem Zweck der Haftpflichtversicherer den Schadenersatz leistete.
Bei Schwerstgeschädigten — vor allem bei Kindern – ist die Betreuung und die Pflege durch Angehörige der Regelfall. Bei einer Schadenersatzzahlung wird diese Betreuung und Pflege als sogenannter Pflegemehrbedarfsschaden geführt. Damit sollen die betreuenden und pflegenden Angehörigen entschädigt werden. Dieser Teil kann also nicht als Vermögen angesehen werden. Würde man es tun, könnte der Geschädigte seinen Angehörigen kein Entgelt mehr für ihre Pflegedienste leisten. Nach § 90 Abs. 3 Satz 1 SGB XII darf die Sozialhilfe aber nicht vom Einsatz oder von der Verwertung eines Vermögens abhängig gemacht werden, soweit dies für den, der das Vermögen einzusetzen hat, und für seine unterhaltsberechtigten Angehörigen eine Härte bedeuten würde. Satz 2 der Norm bestimmt, dass das bei der Leistung nach dem fünften bis neunten Kapitel des SGB XII insbesondere dann der Fall ist, wenn eine angemessene Lebensführung oder die Aufrechterhaltung einer angemessenen Alterssicherung wesentlich erschwert würde. Es existiert also eine Härtefallregelung, die berücksichtig werden muss. Beim Pflegemehrbedarfsschaden ist in der Regel immer von einer solchen Härte auszugehen.
Beim Ersatz des Verdienstausfalls wird geprüft, wie hoch der monatlich gezahlte Betrag ist und ob dieser die Grenze der Angemessenheit überschreitet.
In der Regel kann man auch davon ausgehen, dass eine Schadenersatzleistung durch einen Haftpflichtversicherer zu einer Prüfung des Sozialhilfeträgers führt. Dabei kann die Zahlung ganz oder teilweise als anrechenbares Vermögen gesehen werden. Entweder werden dann erbrachte Leistungen des Sozialhilfeträgers beendet oder der Antrag auf Gewährung von Sozialhilfe wird abgelehnt.
Der Bescheid sollte in jedem Fall ganz genau geprüft werden. Sind alle Grundsätze und Härtefallregelungen für den Schadenersatz in Bezug auf das Schonvermögen berücksichtigt worden? Es gibt dazu unter § 92 SGB XII einen Katalog von Leistungen, die auch dann von Sozialhilfeträgern erbracht werden müssen, wenn einem Geschädigten Schadenersatz gezahlt wurde. Auch hinsichtlich dieses Katalogs muss der Bescheid des Sozialhilfeträgers geprüft werden.
Fachleute raten, dass gerade bei einer Einmalabfindung es hilfreich für den Sozialhilfeträger ist, wenn er klar erkennen kann, auf welche Schadenersatzposition der Haftpflichtversicherer welche Summe gezahlt hat. Wenn er erkennen kann, welchen Zweck die Leistung hat, kann er oft erst Einordnungen für das Schonvermögen vornehmen. Geschädigte sollten deshalb unbedingt bei gemischten Schmerzensgeld- und Schadenersatzzahlungen eine getrennte Vermögensanlage beifügen, um nachzuweisen, welcher Teil dem Schmerzensgeld und welcher dem materiellen Schadenersatz zuzuordnen ist.
Text: F. Müller
Bild: Pixabay
Sehr geehrter Herr Müller,
haben Sie zu Ihrer Aussage, dass Geld aus Schadensersatz, welches für die Pflege bestimmt ist als Schonvermögen anzusehen ist, eine rechtliche Quelle (Rechtsprechung oder Verordnung)? Ich finde dazu nichts im Internet. Oder wie kommen Sie zu dieser Aussage?
Mit freundlichen Grüßen
Tobias Doerffer
Nicht immer ist es dem von einem Behandlungsfehler betroffenen Patienten in der Vergangenheit gelungen, überhaupt einen Schadensersatz oder auch nur eine Entschuldigung zu erhalten. Hinzu kommt, dass nach drei Jahren der Anspruch auf Schadensersatz-Zahlungen in Folge eines Behandlungsfehlers entfällt. Daher ist es besonders wichtig, dass sich Patienten bei Verdacht auf einen Fehler seitens des Arztes frühzeitig genug an einen Fachanwalt für Medizinrecht wenden.