Es ist ein Buch, das Tränen hervorruft. Und es ist auch ein Buch, das das innere Lächeln berührt, weil es ein großartiges Vermächtnis ist. Entstanden ist es auch aus vielen tausend E‑Mails und Textfragmenten, die Nina Zacher und ihr Ehemann, Karl-Heinz, im Laufe ihrer Erkrankung an ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) geschrieben hatten. Teilweise sind sie sehr emotional, teilweise sind sie sehr analytisch im Beschreiben, wie die Muskelschwäche zum körperlichen Verfall führt.
40.000 Menschen verfolgten auf Facebook regelmäßig ihr Schicksal, weil Nina Zacher sich nicht nur zum Gesicht aller ALS-Opfer in der Öffentlichkeit machte, sondern sich darüber hinaus entschieden hatte, ihre vier Kinder in Offenheit über ihre Krankheit aufzuklären und auf den damit verbundenen Tod vorzubereiten. Ihr Versprechen dahinter: Ich werde euch begleiten, auch wenn ich nicht mehr bei euch sein kann.
So entstand auch der Titel dieses bewegenden und erschütternden Buches, weil darin auch ein Brief an die kleine Lola enthalten ist: „Auf deinem Weg werde ich dich, auch wenn ich nicht mehr körperlich vorhanden bin, immer begleiten, das verspreche ich dir. Suche dir einen schönen Stern am Himmel aus, der besonders hell leuchtet, auf dem werde ich sitzen und dich beschützen.“ Einige Briefe dieser Art sind in dem Buch veröffentlicht. Andere sind noch im Besitz von Karl-Heinz Zacher, der die Briefe an speziellen Anlässen seinen Kindern im Auftrag der Mutter übergeben wird – zur Erstkommunion, beim ersten Liebeskummer, zum 18. Geburtstag …
Seit zwei Jahren ist Nina Zacher nun schon tot. Da seine Frau das Buch nicht mehr vollenden konnte, erfüllte Karl-Heinz Zacher posthum ihren Wunsch. Auch die älteste Tochter arbeitete mit, weil das Buch den jüngeren Geschwistern in zehn Jahren ein besonderes Vermächtnis sein wird. Genau wie die Stiftung faceALS, die Karl-Heinz Zacher im Mai 2017 ins Leben rief; in den vergangenen zwei Jahren hat er damit einiges bewegen können.
»ALS ist eine monströse Krankheit, die bei meiner Frau ganz unauffällig am Daumenmuskel begann«, erläutert Karl-Heinz Zacher. »Von dort sprangen die Symptome nach und nach auf alle Finger über. Später war dann auch die andere Hand betroffen. Es folgten unzählige medizinische Untersuchungen, weil ALS über das Ausschlussverfahren diagnostiziert wird. Am Ende, wenn die Ärzte nichts gefunden haben, dann ist es ALS. Insgesamt zog sich die Diagnostik über 22 Monate hin. Diese Zeit war natürlich nicht nur von der täglichen Zunahme körperlicher Einschränkungen geprägt, sondern auch von einer starken psychischen Belastung. Schließlich bedeutet die Diagnose ein Todesurteil. Mit Beginn der Symptome beträgt die durchschnittliche Lebenszeit noch drei bis fünf Jahre. ALS ist bis heute nicht heilbar und auch nicht behandelbar. Erschreckt hatte mich dabei auch, dass mir eigentlich niemand diese Krankheit genau erklären konnte. Gemeinsam mit meinem Nachbarn, einem Molekularbiologen und Prof. Christian Schreiber, welcher acht Wochen nach meiner Frau auch an ALS starb, haben wir begonnen, international enge Kontakt in der Forschung, der Wissenschaft und der Pharmaindustrie zu knüpfen, um das in der Zukunft zu ändern. Daraus entwickelten sich interessante Ansätze, die das Immunsystem als Verursacher in den Fokus rücken. Mit der von mir ins Leben gerufenen Stiftung »faceALS« wurde eine klinische Studie dazu initiiert. Wir sind sehr stolz darauf, dass wir so viele renommierte Partner dafür gewinnen konnten. Unser erstes Ziel dabei ist es, im Bereich der frühzeitigen Diagnose etwas bewegen zu können, um die qualvolle Zeit zwischen Verdacht und klarer Diagnose zu verkürzen. In dieser Zeit schweben die Erkrankten zwischen Hoffen und Bangen und leiden extrem darunter. Langsam kristallisieren sich auch schon erste Ansätze heraus, wie Therapien bei ALS aussehen könnten. Auch gesellschaftspolitisch ist unsere Arbeit sehr wichtig, weil ALS deutlich auf dem Vormarsch ist. Schätzungen gehen davon aus, dass bis 2030 die Zahl der ALS-Erkrankten um 70 Prozent zunehmen wird. Mittlerweile hat ALS fast die Häufigkeit von Multipler Sklerose erreicht. Noch erschreckender wird es, wenn man sich vor Augen hält, dass pro Jahr mehr Menschen an ALS sterben als durch Verkehrsunfälle. Dies und eine Vielzahl anderer Faktoren treiben uns an, die Dinge in die richtige Richtung voranzutreiben. Das Leiden der Betroffenen ist so immens. Jeden Tag wird die Muskelschwäche größer, jeden Tag nimmt die Einschränkung zu. ALS kennt nur eine Richtung, bis zum Tod. Es gibt viel zu tun und wir tun auch viel in unseren eigenen Laboren mit unseren eigenen wissenschaftlichen Mitarbeitern, genauso wie bei der Beratung von ALS-Erkrankten und deren Angehörigen.«
Wer diese bemerkenswerte Stiftung unterstützen möchte, kann das unter der Kontonummer IBAN: DE54 7016 9605 0000 0200 95 tun.
Das Buch „Such dir einen schönen Stern am Himmel« ist im S. Fischer Verlag erschienen. (256 Seiten, 14,99 Euro)
Text: F. Müller
Bild: faceALS