Taschenbuch-Vorstellung: „Geisterfahrer“ von Martin Hailer, ISBN: 978–3906240763, 274 Seiten, 16,50 Euro
„Ich habe die Behinderung als Teil meiner Identität akzeptiert. Als Teil, nicht als Kern.“
Martin HailerMartin Hailer ist von der spinalen Muskelatrophie (SMA) — einer seltenen genetischen Erkrankung, die sich auf Nerven und Muskeln auswirkt — betroffen. Der Gen-Defekt bewirkt, dass die Nervenzellen im Rückenmark Bewegungsimpulse nur schwach oder gar nicht an die Muskeln weiterleiten. Die Muskeln können deshalb weniger Spannung und Kraft aufbauen als bei Nichtbetroffenen. 1980 in Luzern geboren, studierte er in Zürich Übersetzen und Dolmetschen für angewandte Wissenschaften. Da ihm auch das kreative Schreiben liegt, nehmen Bücher immer mehr Raum in seinem Berufsleben ein. Nach „Was guckst du so behindert?“, hat der 38-Jährige einen Sozialroman mit dem Titel „Geisterfahrer“ im IL-Verlag veröffentlicht. Der Roman erzählt vom Leben mit dem IV Assistenzbeitrag (Schweizer Form des Persönlichen Budgets). Er zeigt die Vor- und Nachteile des neuen Lebensmodells, das es Menschen mit Behinderung ermöglicht, ihre Pflege und Betreuung selbst zu organisieren.
Zum Inhalt:
Sascha ist der Platzhirsch im Luzerner Wohnheim Sonnblick: Die Mitbewohner sehen zu ihm auf, die Angestellten fürchten seine Launen. Eines Tages beschließt er, dem tristen Heimalltag zu entfliehen und eine Rollstuhlfahrer-WG mit seinem ängstlichen Freund Marius zu gründen.
Doch Saschas Erwartungen an das Leben in freier Wildbahn (Partys ohne Ende) weichen bald der Realität (Papierkram ohne Ende). Die Betreuersuche gestaltet sich schwieriger, als er sie sich vorgestellt hat, und bei jedem Assistenten, den er einstellt, offenbart sich mit der Zeit ein Haken. Marius lernt die neuen Freiheiten derweil besser zu nutzen und findet sogar eine Freundin.
Sascha trauert seinem Rädelsführer-Status im Heim nach. Als er ernsthaft erwägt, zurück in den Sonnblick zu ziehen, erreicht ihn eine anonyme Botschaft, die sein Schicksal verändert.
Die Mission des Autors:
„Vor 50 Jahren war es noch undenkbar, dass junge Menschen mit Behinderung selbstbestimmt und eigenständig leben, einem Job auf dem freien Markt nachgehen und eine eigene Familie gründen. Dies stellt auch heute noch nicht die Norm dar, aber die gesellschaftlichen Grundlagen dafür sind geschaffen. Ich möchte einen Beitrag dazu leisten, dass sich unser Denken den neuen Umständen anpasst: Für Betroffene ist es ein Lernprozess, die heute gebotenen Möglichkeiten für sich zu nutzen und davon zu profitieren. Derweil sind die Nichtbetroffenen damit konfrontiert, dass das traditionelle Bild des „schwachen“ und „passiven“ Behinderten langsam seine Gültigkeit verliert, und dass sie darum ein differenzierteres Verständnis der Thematik entwickeln müssen.“
Text: F. Müller
Bild: Zur Verfügung gestellt von Martin Hailer — http://martin-hailer.ch/medien/